Montag, 21. März 2011

"Aphrodite - Les Folies" - Kylie Minogue in Oberhausen

Wie sehr sich in den letzten Jahren die Inszenierungen von Madonna, Lady Gaga und Kylie Minogue einander genähert haben, merkt man spätestens beim Intro zu „Confide In Me“, dem zwölften Song auf der 23 Liedern (plus einem Publikumswunsch) umfassenden Setlist: Stampfende Beats, Verzerrungseffekte, zum Mantra geformte Versfetzen, eine Leinwandpräsentation, die Kylie als Femme Fatale mit knallroten Lippen zeigt und bis auf knappe Shorts entkleidete Männer, die sich auf der Bühne ein martialisches Tanzduell liefern. Es ist einer dieser Momente in denen man merkt, dass Minogue – im positiven Sinne – weitaus verdorbener sein kann als man ihr gemeinhin zugestehen will. 
Gleichzeitig zeigt dieser Moment aber auch, dass sie ganz genau weiß, wie sie mit einer sehr sinnlichen und verführerischen Bildsprache arbeiten kann ohne dabei billig zu wirken und sich selbst zu gefährden. Die zahlreichen sexualisierten Momente dieser Show, sie sind auf die Intros, Zwischensequenzen, Hintergrundvideos und Tänzer übertragen. Kylie selbst gibt sich derweil als Aphrodite (eröffnet jedoch die Show als Botticellis Venus): Aus ihrem eindrucksvoll gestalteten Tempel heraus die Liebe bringend, sich selbst dabei aber in Sachen Erotik stilvoll im Hintergrund haltend. 
Wer jetzt jedoch denkt, dass sich hier schlicht die Diva in Minogue Bahn bricht, der irrt: Wirkt sie zunächst zwar noch unnahbar und die Interaktion mit dem Publikum formelhaft, so ändert sich dies im Laufe der Zeit. Kurz vor dem letzten Abschnitt der Show zeigt sie sich so begeistert von zwei Besucherinnen und ihren T-Shirts, dass sie diese spontan auf die Bühne bittet und die Shirts unterschreibt. Derart menschelnd geht es dann auch gleich weiter, wenn sie das Publikum nach Songwünschen befragt. Natürlich ist das ein geplanter Moment, in dem der Star Publikumsnähe zeigen will – jeder große Star im Musik-Business macht das. Doch im Gegensatz z.B. zu einer Madonna, die auf diesen Moment gerade einmal anderthalb Minuten verschwendet, wirkt diese zusätzliche Einlage bei Minogue charmant und glaubwürdig. Hier in Oberhausen singt sie das Lied, das sich – so sagt sie – ihre deutschen Fans immer wünschen würden: „Your Disco Needs You“. 
Und wahrlich, kaum sind die ersten Takte angestimmt, da wird die Arena von einer ausgelassenen Feierstimmung erfasst und verwandelt sich in die wohl größte Schwulendisco Deutschlands. Dass Letzteres nicht übertrieben ist, zeigt dabei ein Blick in die Runde: Das Publikum ist zwar gut durchmischt und deckt alle Altersklassen und sozialen Schichten ab, aber während die Ehepaare und Frauencliquen ihre Textsicherheit eher bei Nummern wie „Spinning Around“ unter Beweis stellten, dominieren bei „Your Disco Needs You“ die Männerstimmen. Überhaupt ist die Show in ihrer Ästhetik mehr auf ein schwules Publikum zugeschnitten als auf die breite Masse: Pompöse Kostüme, Regenbogenspringbrunnen im Finale, halbnackte Männerkörper en masse, Hintergrundprojektionen von gut bestückten Kerlen und einer der Höhepunkte der Show ist ein Flug Kylies auf einem Engel über das Publikum, der in seinem Kitsch an die Bilderwelten eines David LaChapelle erinnert. 
Doch Kylies „Aphrodite: Les Folies Tour” ist nicht nur ein visuelles Erlebnis. Auch stimmlich ist sie hier in Oberhausen voll auf der Höhe, was sie mit einer fast ohne instrumentale Begleitung gesungenen Version von „If You Don’t Love Me“ eindrucksvoll unter Beweis stellt. Angesichts der technisch veredelten Hochglanz-Popproduktionen ihrer Alben vergisst man gelegentlich, dass sie eigentlich eine verdammt gute und facettenreiche Stimme hat und so ist dieser Song, neben der sinnlichen Nachtclub/Revueshow-Variante von „Slow“, einer der musikalischen Höhepunkte dieser sehr eindrucksvollen und äußerst zufriedenstellenden Show.  
Fazit: Eine perfekte und spektakuläre Show, eine sympathische Künstlerin und ein wunderschöner Konzertbesuch! 
Benjamin

Kylie Minogue macht normalerweise nicht das, was ich als meine favorisierte Musik bezeichnen würde. Daher sind erste Assoziationen zum Namen Kylie Minogue nur sexy Videoclips zu eingängigen und tanzbaren Titeln wie dem neuen Duett „Higher“ mit Shootingstar Taio Cruz. Fast in Vergessenheit geraten sind dabei auch gesanglich anspruchsvolle und nicht so fröhliche Titel wie „Where the wild roses grow“ mit Nick Cave aus dem Jahr 1995. Umso gespannter konnte ich also auf den für das Konzert gewählten Liedermix sein. Und der konnte sich hören, vor allem aber sehen lassen. Denn was die Fans beim letzten Deutschlandkonzert der „Aphrodite – Les Folies“-Tour erwartete, war gleich in mehrfacher Hinsicht ein Augenschmaus. Thematisch perfekt abgestimmt, belebten Videoleinwände einen antiken Tempel, während im Vordergrund Tänzer in spärlichen Rüstungen ihrer aus einer goldenen Muschel entstiegenen Venus huldigten, um sie kämpften oder sie in einem kleinen Streitwagen über die weit ins Publikum reichenden Bühnenstege zogen. 
Von Benjamin vor dem Konzert noch als „familienfreundlichere Version von Madonna“ bezeichnet, sorgten nicht nur die von ihm schon beschrieben Leinwandeinspielungen  dafür, dass mein Kollege seine Meinung revidieren musste; auch die Kostüme waren extravagant und wurden fast von Abschnitt zu Abschnitt kürzer (Manch einer mag dabei an die MTV'sche Wortschöpfung der "Geili Kylie" denken). Inwiefern diese Kombination nun eher ein schwules Publikum ansprechen konnte, vermag ich nicht zu beurteilen. Dass die trainierten Männerkörper aber durchaus auch Frauen ansprachen, lässt sich problemlos hinzufügen. Besonders der Brunnen der Aphrodite im Schlussakt sowie Kylies Flug auf einem Tänzer-Engel waren Höhepunkte, die aus einer insgesamt mehr als ansprechenden Show hervorstachen. Dass diese nicht nur professionell durchgezogen, sondern auch durchaus glaubwürdige persönliche Momente hatte, ist dabei umso erfreulicher, da unbekannt von vielen Weltstars. Und entgegen aller Kritik im Vorfeld war Kylie auch stimmlich top, denn gesungen wurde ja trotz aller Show(effekte): Beeindruckend eine quasi a capella-Version von „If you don’t love me“, bei der die Sängerin bewusst und gekonnt mit ihrem Publikum spielte, Zwischenrufe provozierte und sichtlich Freude an dieser Interaktion zeigte. Und so verwandelte sich die Arena über 2 ¼ Stunden (eine Konzertlänge, die ja auch nicht üblich ist für große Stars und daher eine Erwähnung verdient) zunehmend in ein Tollhaus von Verrückten, die ihrer Göttin der Begierde zujubelten. 
Fazit: Ein Kylie Minogue-Konzert ist mehr als lohnenswert, selbst wenn man nicht alle Lieder mitsingen kann und die Biographie der Sängerin auswendig weiß. Man bekommt eine auch bei knapp 9000 Besuchern noch persönlich anmutende Show zum Mitfeiern und denkt daran, dass ja auch die alten Griechen und Römer schon gewusst haben sollen, wie man das Haus rockt.
Sabine

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