Donnerstag, 25. August 2011

Alice Madness returns - von einem kleinen Mädchen und durchgeknallten Waffen


Alice im Wunderland - Wer kennt Lewis Carrolls Geschichte um ein kleines Mädchen im Wunderland des Hutmachers, der Grinsekatze und der bösen Königin nicht? Schon im Jahr 2000 erschien ein Videogame von American McGee, welches erzählt, wie Alice kurz nach ihrem zweiten Abenteuer „Through the looking-glass“ ihre Familie bei einem Hausbrand verliert und  in die Rutledge-Nervenklinik eingeliefert wird.
Dieses Jahr gibt es nun die Fortsetzung dazu: Alice wird aus der Anstalt entlassen und landet in den tristen Straßen im London des 19. Jahrhunderts mit nur einer Frage im Kopf: Ist sie es, die verantwortlich ist für das Feuer im Elternhaus und damit den Tod ihrer Familie? Dass dies keine einfache Situation ist, ist offensichtlich. Was sie allerdings bei einer mental fragilen Persönlichkeit wie Alice anrichtet, das kann der Spieler hier direkt erleben. Begegnet Alice in den Elendsvierteln Londons Schlägern, Zuhältern, Prostituierten und Trunkenbolden, ist es immer mal ratsam, einer weißen Katze zu folgen und im Rahmen psychischer Aussetzer ins Wunderland zu flüchten, um der grausamen Realität zu entgehen. 
Diese Phantasiewelt ist als Kontrast zum Alltag farbenfroh und lädt zum Erkunden ein: Blumen als Sprungplattformen, nett inszenierte Spielzeuge und weitere Phantasiewesen sowie Alices wechselnde, an den jeweiligen Weltenabschnitt angepasste Kleider - Das Wunderland ist wunderbar detailreich und  könnte so schön sein, wären da nur nicht diese abscheulichen Kreaturen, die Alice nach dem Leben trachten ,und auf technischer Ebene nicht diese teilweise verwaschenen Texturen. Nichts desto trotz setzt sich Alice mit kruden Waffen zur Wehr: Eine junge Frau mit langem blutverschmiertem Messer allein wirkt immer schon unheimlich. Gesellen sich dazu aber noch eine Pfeffermühle als Gewehr oder ein Steckenpferd als Streitaxt, kann man gewiss sein: Wonderland ist ein Albtraumland, willkommen im Wahnsinn. 
Bekannte Gesichter trifft Alice an jeder Ecke: Die Grinsekatze erteilt Ratschläge und der Hutmacher gleich einen ganzen Auftrag, nämlich ihn wieder zusammensetzen, nachdem seine Gliedmaßen gestohlen worden sind, um eine Maschine anzutreiben.
Womit das Spielprinzip auch schon beschrieben ist: Flüchtet sich Alice aus dem tristen London in ihre Gedankenwelt, erteilt ihr jemand einen mehr oder weniger kleinteiligen Auftrag, bei dessen Erfüllung buckelige Kerle, finstere Maschinen (sehr schön beispielsweise eine spinnenartige, Lava kochende Zyklopenmaschine mit dem passenden Namen „EyePot“) und enorme Sprungpassagen im Weg stehen. Durch diese kann man zwar relativ gut navigieren (Alice kann nicht nur Doppel-, sondern auch Dreifachsprünge ausführen, nur vermiest die schwammige Kameraführung hier streckenweise den Spaß) und findet auch den einen oder anderen Augenschmaus am Rande der Sprung-Strecken, doch wird das Ganze auf Dauer zu lang und repetetiv. Dass man dann auch nur mit wenigen der Non-player-characters interagieren kann (Nein, ich verlange nicht, dass jeder mit mir spricht bzw. ich jeden anquatschen kann, aber wenn an manchen Plätzen schon viele Gestalten herumstehen, sollten sie mehr als nur lebendig anmutende Staffage sein),  verstärkt eine gewisse Müdigkeit, die mit der Zeit einsetzt. Sollte das dazu führen, dass man unaufmerksam im Kampf seine Energie verliert, gibt es noch eine speziellen, cool gestalteten Rettungsanker: Wie es sich für eine ordentliche Ex-Insassin einer psychiatrischen Anstalt gehört, hat auch Alice einen Hang zur Hysterie. Der Hysterie-Modus kann nur aktiviert werden, wenn die Gesundheitsleiste wirklich so gut wie leer ist, dann jedoch verändert sich die Welt enorm: Alles wird schwarz-weiß, Alice kurzerhand unverwundbar, allein die Blutspritzer stechen rot hervor. Sin City lässt grüßen. Ebenso wie klassische Shoot em ups, wenn man mit einem Piratenschiff großen und kleinen Fischen ausweichen bzw. sie bombardieren muss.  Auf diesem Weg soll das Game wohl etwas abwechslungsreicher gestaltet werden, letztlich ist aber Angriff doch die beste Verteidigung und Blocken nur in Ausnahmefällen nötig. Gekonnt Taktieren ist nicht erforderlich.
Zusammengefasst hat „Alice Madness returns“ also mit einiger Kritik zu leben (zusätzlich zu den oben genannten Kritikpunkten könnte sich der Controller für ungeübte etwas überbelegt anfühlen). Gleichwohl ist es ein atmosphärisch guter Nachfolger von Alices erstem Psychotrip, den zu spielen es sich lohnt. Aber nur für die Älteren (USK 16), denn trotz der Märchethematik gehört dieses Game nicht in Kinderhände.

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